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Zwickau im Zwiespalt

"Besetzter Traum": Ein schöner Titel für diese Langzeitbeobachtung von Robert Krieg ("Intifada – Auf dem Weg nach Palästina"), der in Zwickau am Fuße des Erzgebirges zwischen Februar 1990 und September 1991 die Reaktionen der Sachsen auf die friedliche Revolution der Wiedervereinigung verfolgte.

Sieben Männer und Frauen stehen beispielhaft für den Weg, der vom politischen Machtvakuum kurz nach dem Mauerfall über die Ernüchterung nach der Einführung der D-Mark bis zu den Vereinzelungstendenzen heute geführt hat.

Da haben sie demonstriert, mit der Plastiktasche in der Hand, da haben sie geträumt von Freiheit (und mehr Konsum), Demokratie und Solidarität. Und da haben sie Versprechungen west-deutscher Politiker geglaubt, die – was abzusehen war – nicht eingehalten werden würden. Jetzt stehen sie da und können trotz ihrer Arbeit, Energie und Schaffenskraft die Utopien nur weiter träumen. Vor sich Wildwuchs auf dem Immobilienmarkt, eine im Schneckentempo arbeitende Verwaltung, die alten Bonzen in den neuen Posten, die Stasi-Erinnerungen noch frisch.

Daß sie trotzdem an ihrer "dirty old town", an der Kokerei, der kleinen Schuhfabrik festhalten oder sich erfolgreich auf Tiefbauunternehmungen (Straßen müssen sein) stürzen, beweist: noch ist Zwickau (trotz Trabi-Tod) nicht verloren. Beeindruckende Alltagsschicksale, von der Kamera unaufdringlich aufgespürt.

(ger)

Westfälische Nachrichten, 8. November 1991
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