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Mißbrauch der Utopie

Der Dokumentarfilmer Robert Krieg

Daß Münster übermäßig viele Kinogänger hat, ist hinlänglich bekannt. Doch daß auch erfolgreiche Filmemacher aus der Westfalenmetropole stammen, scheinen nur wenige zu wissen. Der Münsteraner Robert Krieg aus der Filmwerkstatt präsentierte Montag Abend im Schloßtheater seinen neuesten Film – eine Langzeitdokumentation über den DDR-Alltag 1990/91.

Zwickau, September '91. In einer Gartenlaube treffen sich eine Handvoll Leute und halten Rückschau auf die politische Entwicklung in der ehemaligen DDR. Angefangen bei der friedlichen Oktoberrevolution, über die Währungsunion und die Wiedervereinigung, bis hin zum heutigen Tage. Sie erinnern sich an Ideale und Träume, an Ziele, die sie einst anstrebten, für die sie kämpften und lebten.

Nun werden Sie gezwungen, ein Resümee zu ziehen, ehrlich einzugestehen, was übriggeblieben ist von ihrer Hoffnung auf eine neue Republik, von ihrem damaligen politischen Engagement. Während sich die Protagonisten unterhalten, blickt der Film zurück auf ihren "Lebenswandel". Die Kamera begleitet unsere Akteure über ein Jahr lang und gewährt uns den Einblick in ganz persönliche, ganz private ideologische und wirtschaftliche Werdegänge:

Der Bauunternehmer, der sich erfolgreich mit der Marktwirtschaft arrangiert hat; die junge Mutter, die resigniert erkennt, wie wenig ihr politisches Engagement wert war; der ehemalige Diakon, der mittlerweile im gesamtdeutschen Beamtentum Unterschlupf gefunden hat. Robert Krieg bringt uns die vorgestellten Personen ganz still und leise naher. Er wählt lange Einstellungen und Kamerafahrten, gibt den Bildern Zeit, selbst zu erzählen. Jeder Zuschauer soll Gelegenheit haben, einen eigenen Zugang zu dem Film zu finden. Nur ganz gezielt verwendet Krieg einen Kommentar, der jedoch nur eine Gesamtstruktur wahrt und weder wertet noch polemisiert.

Anderthalb Jahre haben die Filmarbeiten gedauert. "Während ich mit dem Kamerateam schon zum nächsten Ereignis unterwegs war, wurde das abgedrehte Material bereits am Schneidetisch bearbeitet. Auf diese Weise hatten wir schon im Mai einen Rohschnitt erstellt, auf Grund dessen sich der WDR zur Coproduktion entschloß sowie das Filmbüro NW Filmförderung gewährt...". Anderthalb Jahre, in denen auch Robert Krieg seine ganz persönlichen Eindrücke gewonnen hat. "Ich würde die Zeit seit der Oktoberrevolution in drei Phasen gliedern: Direkt nach dem Umsturz verspürte man in der DDR eine Art politisches Vakuum. Zu diesem Zeitpunkt wäre alles möglich gewesen. Doch die Bemühungen der Bürgerbewegung trugen kaum Früchte. Erwartete Änderungen blieben aus... In dieser Situation klammerte sich jeder an den Strohhalm Währungsunion. Nun sollte alles besser werden. Und heute merken alle – zu spät -, daß irgend etwas nicht stimmt. Der Gruppengeist von einst ist verschwunden; selbst die Unermüdlichen haben Flucht in die Nischen betrieben und wirken nur noch als Einzelkämpfer". Was ist aus der Utopie, eine andere Republik zu schaffen, geworden? Wo ist er geblieben, der kurze Traum von "mehr Demokratie wagen"? Der Film läßt uns eine eigene Antwort auf viele unserer Fragen finden.

Philipp Roth

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