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Pressetext

 

Kennen wir uns eigentlich? Wissen wir, was wir wollen, was wir schätzen an unserem Europa? Was wir gerne erhalten und weiter entwickeln würden? Was fehlt? Worauf wir verzichten können?

Die Menschen in den verschiedenen Ländern und Regionen Europas haben unterschiedliche Geschichten, die sie verbinden und trennen, sie haben unterschiedliche kollektive Identitäten und Kulturen. „Unser Europa“ befasst sich mit der Realität, die Menschen jeden Tag in fünf Ländern (er-)leben. Eine Realität, die davon gekennzeichnet ist, dass sie Teil Europas sind.

Der Autor Robert Krieg besucht Freunde und vertraute Menschen, zwischen 33 und 55 Jahre alt, die er seit Jahren kennt. Sie sind in ihren Regionen verwurzelt, lieben ihre Heimat und verstehen sich als Europäer. Der Film taucht in ihren Alltag ein und befragt sie nach ihrer persönlichen Sicht auf Europa.

Maria und Franco

Maria und Franco leben in Italien in einem Dorf nahe bei Rom. Sie haben sich dort kennengelernt.

Maria (geb. 1979) ist in Rumänien geboren und wie viele andere Rumänen nach Italien gekommen, in der Hoffnung, dort ein besseres Leben zu finden. Sie hat einen Hochschulabschluss als Ingenieurin für Holzbautechnik. In Italien hat sie bis heute keine adäquate Arbeit gefunden und verdient ihr Geld als Betreuerin einer alten Dame in Rom. Sie engagiert sich in der örtlichen Caritas-Gruppe, die Flüchtlinge aus Nordafrika betreut. Gemeinsam mit Franco ist sie in der lokalen Initiative „Mondo Borgo“ aktiv, die sich für die für die Belange der dörflichen Gemeinschaft einsetzt. Der wichtigste europäische Wert, den es ihrer Ansicht nach zu verteidigen gilt, sind die persönlichen Freiheiten jedes einzelnen Bürgers in Europa. Sie macht sich Sorgen um die schleichende Aushöhlung der sozialen Errungenschaften, die in Italien zu spüren ist und ihrer Ansicht nach die europäische Wertegemeinschaft unterhöhlt.

Franco (geb. 1965) arbeitet in der dritten Generation als Friseur mit seinen zwei Schwestern im gemeinsamen Geschäft. Seine freie Zeit nutzt er, um das Stück Land zu bewirtschaften, das der Familie gehört. Er pflegt die alten Olivenbäume und probiert neue Methoden aus, um so wenige Pestizide wie möglich zu verwenden. Bei den alten Bauern sammelt er die Samen von Tomaten und anderen Nutzpflanzen, die es längst nicht mehr zu kaufen gibt, und sät sie wieder aus. Er ist mit Europa aufgewachsen: „Wenn mich im Ausland jemand fragt, woher ich komme, sage ich: ‚Ich bin Europäer’!“ Für ihn liegt die Stärke Europas in der Gemeinschaft.

Asko und Julia

Asko und Julia arbeiten und leben in Tallinn, Estland, gemeinsam mit ihren zwei kleinen Kindern.

Julia (geb. 1979) hat ihr Studium an einer Kunstakademie abgeschlossen und schon früh begonnen, sich nach dem europäischen Ausland zu orientieren. Sie hat sich auf Schmuckdesign spezialisiert und bereits erfolgreich an mehreren internationalen Schmuckdesigner-Messen teilgenommen. Sie gilt als eine der kreativsten Schmuck-Künstlerinnen ihres Landes. Ihre Kreativität ist vielfältig. Für den Entwurf eines Kinderstuhls erhielt sie einen internationalen Designer-Preis.

Asko (geb. 1971) hat als junger Kunsthochschulabsolvent zusammen mit einem Kollegen direkt nach der Unabhängigkeit Estlands eine Werbeagentur gegründet, die inzwischen so erfolgreich läuft, dass er sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen konnte. Er widmet sich der Poesie und der grafischen Gestaltung von Kunst-Büchern.

Julia und Asko sind passionierte Segler. Sie arbeiten beide von Zuhause aus und versuchen im Sommer so viel Zeit wie möglich auf dem Wasser zu verbringen. Sie verstehen sich als Europäer, verbinden ihre Zukunft damit und sind davon überzeugt, dass sich die baltischen Staaten nur als Teil Europas gegen das aus ihrer Sicht übermächtige Russland behaupten können. Für sie ist Estland ein gutes Beispiel für einen neuen Politikstil, der die Nähe zum Bürger sucht und sich auf Augenhöhe bewegt. Die Esten sehen keinen Widerspruch zwischen ihrer Naturverbundenheit und ihrer HighTech-Entwicklung, die an der Spitze Europas liegt. Das könnte zum Vorbild für Europa werden.

Laura und Pablo

Laura und Pablo leben in Asturien im Nordwesten Spaniens. Sie haben sich an der Universität von Oviedo kennengelernt.

Laura (geb. 1983) ist in Kuba geboren und kam als Jugendliche nach Nordspanien, woher ein Teil ihrer Familie stammt. Sie ist Sonderpädagogin für verhaltensgestörte Kinder mit eigener kleiner Praxis. Für sie hat ihre kubanische Herkunft den großen Vorteil, dass sie Spanien und Europa auch von außen mit kritischer Distanz beobachten kann. Sie versteht Europa als Ort der Aufklärung, zugleich aber auch als Ausgangspunkt des Imperialismus. Für sie liegt das Kernproblem in der ungerechten Verteilung der Reichtümer in Europa. Das sei die eigentliche Ursache für das fremdenfeindliche Verhalten der Menschen, die in prekären Verhältnissen leben und befürchten, dass ihr Anteil am gemeinsamen Kuchen noch kleiner wird.

Pablo (geb. 1980) ist studierter Biologe, arbeitet aber für eine Versicherungsgesellschaft. Als Vertreter einer unabhängigen Liste, die sich für soziale Gerechtigkeit und ökologische Ziele einsetzt, sitzt er im Gemeinderat seines Heimatortes und engagiert sich für die lokalen Belange der Menschen. Er verlangt mehr Autonomie für Asturien und sieht darin keinen Widerspruch zum europäischen Gedanken. Seine Vision von Europa ist eine Union der europäischen Völker, die sich gegenseitig respektieren und ihre Besonderheiten anerkennen. Die rein merkantile Ausrichtung der europäischen Union hält er für eine große Gefahr und sieht darin die Ursache für das Anwachsen anti-europäischer, rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Bewegungen in Europa.

Jovana und Aleksandar

Jovana und Aleksandar sind verheiratet und leben in Belgrad, Serbien.

Aleksandar (geb. 1961) arbeitet als Hochschullehrer an einer Film-Akademie und hat als Regisseur mehrere Spielfilme realisiert. Bereits als Jugendlicher war er oft in Europa unterwegs, was zu Zeiten Jugoslawiens der Normalfall war. Um so schlimmer wirkte sich für ihn persönlich die komplette Isolation Serbiens nach dem Zerfall Jugoslawiens aus. Seine Haltung ist die eines Weltbürgers und Europäers, die nichts mit den nationalistischen Ambitionen der ex-jugoslawischen Nachfolgestaaten zu tun hat.

Jovana (geb. 1976) hat Medienmanagement studiert und eine kleine Film-Produktion gegründet. Ihre beiden Schwestern leben im Ausland. Sie gehören zu den Hunderttausenden gut ausgebildeter junger Serben, die seit Beginn der 90er Jahre ihr Land verlassen haben.

Jovana und Aleksandar fühlen sich der europäischen Mentalität verbunden, ohne den jahrhundertelangen Einfluss der osmanischen Kultur auf die Denk- und Verhaltensweisen der Serben zu unterschätzen. Sie wünschen sich die Aufnahme Serbiens in die Europäische Union. Allerdings nicht als formalen Akt wie bei einigen anderen osteuropäischen Ländern geschehen, sondern als tatsächliche Anerkennung und Übernahme der europäischen Werte und Anforderungen. Nur so sehen sie eine Zukunft für ihr Land, das sich in ihren Augen wirklich reformieren, die Korruption bekämpfen und die Bürger vor dem Gesetz gleichstellen muss.

Michael und Solveig

Michael und die aus Island stammende Solveig haben sich während des Studiums in Trier kennengelernt und leben dort bis heute. Sie sind verheiratet und haben drei Kinder.

Michael (geb. 1972) hat in Jura promoviert und arbeitet in einer Beratergesellschaft in Luxemburg. Er pendelt täglich zwischen Deutschland und Luxemburg. Michael arbeitet mit anderen Europäern in einem Büro zusammen und nimmt regelmäßig an Besprechungen und Konferenzen in den unterschiedlichen Hauptstädten Europas teil. Er kann sich Deutschland nicht ohne Europa vorstellen und Europa nicht ohne Deutschland. Die europäische Union ist in seinen Augen das beste Beispiel und die beste Garantie für ein friedliches Auskommen der internationalen Völkergemeinschaft. Er nimmt die Gefahren, die von den neuen rechtsextremen Strömungen in Europa ausgehen, sehr ernst und sieht in ihnen die größte Bedrohung für alles, was bisher in der europäischen Union erreicht worden ist.

Solveig (geb. 1975) ist Betriebswirtin und hat einen Master in Japanologie. Sie arbeitet gegenwärtig nicht in ihrem Beruf und widmet sich ganz der Erziehung ihrer drei Kinder. Solveig ist überzeugte Isländerin und geprägt durch die Erziehungsideale der isländischen Gesellschaft, die individuelle Qualifikation mit einem gemeinschaftsorientierten Arbeitsethos zu verbinden suchen. Sie ist eine Anhängerin des europäischen Gedankens, gleichzeitig bewahrt ihr ihre Herkunft einen kritischen Blick auf die Entwicklungen in den EU-Ländern. Island ist ein durch die europäische Geschichte und Kultur geprägtes Land und hat in ihren Augen eine wichtige Funktion als Bindeglied zwischen Kanada, den USA, den skandinavischen Ländern und Europa. Für sie sind die wichtigsten europäischen Werte Toleranz, Offenheit und die Bereitschaft, kritisch zu diskutieren und zu hinterfragen.

 

Was sich zeigt: diese Menschen, so verschieden sie sind, sind Europa, und sie wollen Europa – ein gerechtes Europa der Menschen, der Regionen. In dem der Traum einer gemeinsamen Zukunft ohne Grenzen zwischen Landschaften, Kulturen und Menschen zum Teil schon Realität geworden ist. Ein Europa, in dem Werte zählen und endlich überall Realität werden sollen: Toleranz und Diskussionsbereitschaft; verbindliche Rechtsstaatlichkeit, soziale Rechte und die Menschenrechte; Vielfalt, Emanzipation und Solidarität. Ein Europa, das den Frieden bewahrt, den es seit 70 Jahren möglich gemacht hat.

Das Gespräch ließe sich fortsetzen, mit vielen Menschen aus vielen Ländern Europas. Ein Gespräch, in dem man Unterschiede kennen lernen und als Spiegel der eigenen Position, als Bereicherung der eigenen Kultur erleben kann. Wenn man will.
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