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„Unnütze Esser“

Unter den Nationalsozialisten wurden rund 200.000 „Minderwertige“ abgespritzt, vergast oder durch Sklavenarbeit und Hunger zu Tode gebracht. Auf Grund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden 400.000 Menschen zwangssterilisiert. Fritz Blume, dessen Lebensgeschichte in dem Album „... und über uns kein Himmel“ erzählt wird, wurde 1935 geboren. Nach einem Selbstmordversuch seiner Mutter kam er als „erblich minderwertiges Kind“ in ein Heim. Ein Arzt attestierte „Geisteskrankheit“. Die Folge war eine Odyssee durch Erziehungsanstalten, die er im Gegensatz zu anderen Kindern nur überlebte, weil er sich nützlich zu machen wusste. Auch nach dem Krieg ging der Horror für ihn weiter. Viele Euthanasie-Ärzte machten in den 1950er Jahren in der Bundesrepublik Karriere, Fürsorgezöglinge galten nach wie vor als unnütze Esser. Das änderte sich erst durch die 1968er Revolte. Der Publizist Robert Krieg hat Blums Geschichte als Comic adaptiert und mit zahlreichen Hintergrundinformationen unterfüttert. Das Ergebnis ist ein Album, in dem einem auf jeder Seite die nackte Menschenverachtung einer selbsternannten Elite entgegen schlägt, deren rein funktionales Denken man auch heute wieder antrifft. Im Nachwort spannen die Verfasser den Bogen bis in unsere neoliberale Gegenwart, in der öffentlich darüber debattiert wird, ob bestimmte Operationen für ältere Menschen überhaupt noch rentabel sind.

Peter Hetzler

Faschismus, Holocaust, Neonazis – Bemerkenswerte Graphic Novels zu Zeitgeschichte und Gegenwart, In: HLZ, 73. Jahrgang, Heft 5, Mai 2020
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